Industrieansiedlung in der Gründerzeit

Heinz-Jürgen Schönberger

Heinz-Jürgen Schönberger

Zur Erschließung von Schriftgut für museale Zwecke sind alte staubige Akten zu lesen, in ihrem Zusammenhang zu verstehen und zu kategorisieren, dabei finden sich häufig bemerkenswerte Vorgänge.

Industrieansiedlung in der Gründerzeit Am Beispiel Gaswerk Woltmershausen

Nachdem infolge verstärkter Nachfrage der Privathaushalte die Produktionsanlagen der 1848 errichteten alten Gasanstalt im Bereich des Hauptbahnhofs die erforderlichen Mengen nicht mehr bereitstellen konnten, sahen sich die Erleuchtungs- und Wasserwerke nach geeigneten neuen Standorten um. Sie wurden in Woltmershausen in unmittelbarer Nähe zum Hohentorshafen und der Eisenbahnlinie fündig. Für dies Grundstück stellten sie einen Antrag zur Genehmigung der Errichtung und zum Betrieb einer Gasanstalt auf der Mittelkämpe in Woltmershausen.

Sofort wurden Bedenken laut. Mit heute sehr aktuellen Argumenten wie Belästigung durch Rauch, Staub und Ausdünstungen und der Gefahr durch Explosionen wandten sich engagierte Bürger an die Behörde und versuchten den Bau dieser Gasanstalt zu verhindern.

Was in unserer Zeit zu einer Flut von Gutachten und Gegengutachten und kaum endenden Diskussionen führt, hat seinerzeit die Behörde schnell und unbürokratisch gelöst:

Auszug aus der (Original) Genehmigung durch das Landherrenamt:

Auszug aus der Genehmigung durch das Landherrenamt

Transkription: „Die angestellten polizeilichen Ermittlungen haben ergeben, dass die Bewohner der genannten Häuser durch die alte Gasanstalt in keiner Weise belästigt worden sind. Es ist demnach nicht anzunehmen, dass die Beschwerdeführer späterhin durch den Betrieb der neuen Gasanstalt belästigt werden, jedenfalls wird die in § 16 der Gewerbeordnung vorgesehene erhebliche Belästigung nicht eintreten.“

Dem Antrag auf Errichtung und Betrieb der Anlage wurde 1899 stattgegeben.

Es ist nicht Ziel des Verfassers, die heutige Einbeziehung der Bevölkerung in staatliche Planungsvorhaben zu kritisieren, aber die Rückschau gibt der oben genannten Entscheidung Recht: große Beeinträchtigungen durch die Ansiedlung ergaben sich nicht und das Gaswerk ist auch nicht explodiert.

Und so kam es, dass der weiße Löschdampf des Ofenhauses und der rot-weiss karierte Gasometer viele Jahre zum vertrauten Heimatbild der Anwohner gehörten und mancher Pusdorfer im neuen Gaswerk Arbeit und Brot fand.

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