Geschäfte, Berichte und Geschichte

Heinz-Jürgen Schönberger

Heinz-Jürgen Schönberger

Neben umfangreichen Beständen an Werkzeugen, Geräten und Einrichtungen, die in der Ausstellung und im Magazin bereits zu besichtigen sind, besitzt das Museum auch einen erheblichen Fundus an Dokumenten, Büchern und Bildern zum Themenkreis Versorgungswirtschaft allgemein und zum Wissensgebiet Verteilungsnetze speziell.

Mehrere ehrenamtliche Mitarbeiter des Museums sind seit einiger Zeit dabei, die einzelnen Exponate zu sichten, zu verstehen, was sie aussagen um sie anschließend mit Hilfe einer speziellen Museumssoftware digital zu erfassen; damit sind später themen- und/ oder zeitbezogene Abfragen möglich. Nutzer dieser Informationsquelle kann das Museum selbst sein, es ist aber auch denkbar, Dritten qualifizierte Fachauskünfte anzubieten.

Ein kleines geschlossenes Gebiet sind beispielsweise die Berichte, die die swbAG und ihre Vorgängerunternehmen über einzelne Wirtschaftsjahre erstellt haben.

Es liegen Berichte seit 1897 bis heute vor.

Herausgeber waren im Zeitablauf die Versorgungsträger:

Deputation für die Erleuchtungs- und Wasserwerke der Stadt Bremen

Städtische Werke Bremen

Bei beiden Einrichtungen handelte es sich um Sondervermögen der Stadt Bremen. Sie konnten wirtschaftlich selbständig handeln, ihr Vermögen, ihre Schulden, ihre Aufwendungen und Erträge waren Bestandteil des bremischen Haushalts; die Mitarbeiter standen im Dienstverhältnis mit der Stadt.

Stadtwerke Bremen AG

swbAG

Beide Unternehmen handelten wirtschaftlich und juristisch selbständig. Im bremischen Haushalt schlugen sich nur die Dividenden nieder. Solange die Aktien sich im mehrheitlichen Besitz der Stadt Bremen befanden, galt die Eigenbetriebsverordnung der Stadt Bremen, was besonders für die abzuführende Konzessionsabgabe von Bedeutung war.

Die Berichte erstellten die „Unternehmen“ teilweise im Rahmen gesetzlicher Vorschriften, zum anderen Teil aber auch auf freiwilliger Basis, um Aufgabenstellung und Mitteleinsatz Dritten gegenüber transparent zu machen. Im Zuge der fortschreitenden Wirksamkeit publizitätsrechtlicher Vorschriften hat sich der Begriff „Geschäftsbericht“ gefestigt. Er soll hier weiterhin benutzt werden; auch wenn er nicht immer zutrifft.

Adressaten der Berichterstattung waren früher bis heute Interessierte und Betroffene; nach neuer deutscher Sprachregelung „Shareholder und Stakeholder“. Im Laufe der Zeit ist die Auflage der Berichte stark gestiegen, die Verteilung erfolgte zeitweise recht großzügig. Aus Krisenzeiten wie Krieg und Depression besitzt das Museum aber auch Berichte mit der Aufschrift: „GEHEIM“ oder „STRENG GEHEIM“.

Die Erscheinungsform ist im Zeitablauf stets aufwändiger geworden; die Herausgeber haben die Werbewirksamkeit der Geschäftsberichte erkannt. Sie sind den Maßstäben ihrer Branche gefolgt und veröffentlichen ihre Geschäftsergebnisse heutzutage in Hochglanzbroschüren mit durchaus künstlerischen Ansprüchen. Das steht in krassem Gegensatz zur Berichterstattung der frühen Jahre, die teilweise handschriftlich und manchmal sogar in Sütterlinschrift erfolgte.

Die dem Museum überlassenen Geschäftsberichte stammen aus sehr unterschiedlichen Quellen. Demzufolge befinden sie sich ebenfalls in sehr unterschiedlichem Erhaltungszustand. Manche, auch ältere Exemplare, sehen aus, als habe der Empfänger sie nie geöffnet, während andere deutliche Bearbeitungsspuren aufweisen. In wirtschaftlich schwächeren Zeiten war die Papierqualität oft sehr gering, so dass allein der Zeitablauf negative Einflüsse auf den Erhaltungszustand hat.

Inhaltlich folgen die Geschäftsberichte grundsätzlich einheitlichen gesetzlich vorgegebenen Strukturen. Die Berichtebene ist sehr unterschiedlich; in manchen Jahren werden nur hochverdichtete Informationen in sehr genereller Form bereitgestellt, während man zu anderen Zeiten sehr detailliert auf Bilanz, Erfolgsrechnung, Kundengruppen und technische Gegebenheiten eingeht.

Ein Geschäftsbericht für sich allein ist prinzipiell eine „Momentaufnahme“ des Berichtsjahres; wenn seine Verfasser ihn sorgsam aufgestellt haben und die geltenden Gesetze beachtet wurden, zeigt er Vergleichswerte des Vorjahres und soweit dies möglich ist, Ausblicke auf zukünftige Entwicklungen.

Die Sammlung der Berichte bietet gegenüber der Momentaufnahme einzelner Exemplare die Möglichkeit dynamische Betrachtungen anzustellen:

So kann man verfolgen, wie die Menge der abgesetzten Energien und des Trinkwassers abhängig von der Industrialisierung Bremens und Änderungen des Verbrauchsverhaltens unterschiedlicher Kundengruppen über die Jahre zu- oder abnimmt.

Wechsel der angebotenen Energieformen ( z.B. „Gleichstrom / Wechselstrom“, „Leuchtgas / Erdgas“ ) folgen technischen Entwicklungen und ökonomischen Not-wendigkeiten, bieten dem Versorgungsunternehmen und seinen Kunden aber auch neue Möglichkeiten, die in den Berichten aufgezeigt sind

Der Übergang von der Trinkwasser-Erzeugung aus Weserwasser auf Fremdbezug von Wasserverbänden ergibt sich aus Zwängen, die aus Oberflächenwasserverschmutzung und zunehmenden Wasseraufbereitungskosten resultieren, er ist nachvollziehbar dokumentiert.

Seit das Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft geführt wird, lassen Informationen zur Besetzung des Aufsichtsrates interessante Reflektionen über das politische und wirtschaftliche Geschehen in Bremen zu.

Die Berichte zur Wasserversorgung geben Auskunft über die Entwicklung hygienischer Standards und sozialer Errungenschaften in der Stadt, wie sich neben verstärktem gewerblichem Wasserverbrauch auch der Pro – Kopf- Verbrauch der Bevölkerung über die Jahre verändert.

Es stehen Informationen über interessante Sachverhalte in der Stadt zur Verfügung; die abnehmende Bereitstellung von öffentlichen Trinkwasserentnahmestellen für die ärmere Bevölkerung geht einher mit zunehmenden Wasserzählersetzungen und der Ausbau der öffentlichen Beleuchtung verbessert die Erhöhung der allgemeinen Sicherheit. Dies sind nur zwei Beispiele.

Dramatische Ereignisse mit welt- und europaweitem Horizont wie Kriege, Rohstoff-krisen, Katastrophen und soziale Umbrüche spiegeln sich in einigen Geschäfts-berichten des Unternehmens deutlich wieder. Für Vorgänge im Unternehmen sind die gesammelten Berichte eine verlässliche Quelle:

Es ist abzulesen, wie der Einsatz moderner Technologien auf den Finanzbedarf und den Personaleinsatz gewirkt hat.

Auch soziale Verbesserungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Unternehmens haben sich hier niedergeschlagen.

Wirtschaftliche Anspannungen auf der Kapitaleignerseite änderten die Eigentums-verhältnisse und damit die Orientierung des Unternehmens, das sich zunehmend mit überregionalen Einflüssen konfrontiert sieht.

Letztendlich wird sich die von der Bundesregierung eingeleitete Energiewende in den künftig hinzukommenden Geschäftsberichten massiv abbilden.

Die vorgestellten Sachverhalte sind nur einige von den vielen Möglichkeiten, die Sammlung der Geschäftsberichte des Museums zu nutzen. Es wäre zweckmäßig, wenn bei Berichten über die Energie- und Wasserversorgung in Bremen auf diese sehr verlässliche Informations-quelle zurückgegriffen würde.

Von den vielen unterschiedlichen Menschen, die in den zurückliegenden mehr als hundert Jahren die einzelnen Geschäftsberichte als tagesaktuelle Aufgabe aufstellten, waren sich ihrer historischen Aufgabe sicherlich nur wenige bewusst, ihnen sei an dieser Stelle für ihre Arbeit gedankt.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert